Sonntag, 8. Juni 2008

Le Roi et l'Oiseau (Paul Grimault, 1980)

Ein wahres Trickfilm-Meisterwerk. Der Plot ist simpel, doch durch seine poetisch und abstrakt visualisierte Form einzigartig. Sehr interessant ist, dass die dominierende Achse nicht die horizontale, sondern die vertikale ist. Es geht um einen Tyrannen, der von den Unterdrückten, angeführt von einem Vogel, zu Fall gebracht wird. Der Vogel steht für Freiheit, denn er kann sich in der Vertikalen frei bewegen, und für Individualität.

Auch auf der Handlungsebene spielen Bilder eine entscheidende Rolle. Der vertikal ausgerichtete Palast ist überladen mit Abbildern des Königs. Zwangsarbeit besteht darin, diese Statuen und Gemälde herzustellen und auf Frevel gegen Bilder des Königs steht die Todesstrafe (in einem Gesetzbuch, das nur aus Bildern besteht). Seine Bediensteten bestraft der König für ihre Unfähigkeit, indem er per Knopfdruck eine Falltür unter ihnen öffnet. Wir wissen nicht wohin diese Schächte führen und wer einmal so von der Bildfläche verschwunden ist, fällt auch ganz aus der Handlung hinaus.

Die Beziehung zwischen Original und Abbild wird richtig komplex, wenn ein Portrait des Königs zum Leben erwacht und dessen Platz einnimmt. Gleichzeitig steigen auch zwei einfache Menschen aus Gemälden, die bei der Revolution eine wichtige Rolle spielen. Zentral ist dann auch ein Blinder, der in der Musik eine neue Art der Machtausübung findet.

Le Roi et l'Oiseau geht also mit dem Thema der Mach und Tyrannei der Bilder auf sehr interessante und gleichzeitig auch unterhaltsame und emotional involvierende Art um. Der Film selbst rebelliert mit seinem eigenwilligen Stil auch gegen die Bilderkonvention des (Trick)Films. Schade, dass er heute etwas in Vergessenheit geraten zu sein scheint. Aber sein Einfluss auf Ghibli lässt sich kaum bestreiten. Isao Takahata bekennt sich jedenfalls dazu.

Freitag, 6. Juni 2008

Pépé le Moko (Julien Duvivier, 1937)

Die vielschichtig verschachtelte und labyrinthische Struktur der Altstadt Algiers ist ein grossartiger Schauplatz. Sie ist für den pariser Verbrecher Pépé genauso sichere Festung, wie auch sein Gefängnis. Optisch erinnert sie durchaus an expressionistische Stummfilme aus Deutschland.

Im Zentrum der Handlung steht nicht so sehr Gewalt und Verbrechen als vielmehr die Sehnsucht nach Freiheit, Heimat, Liebe oder einfach nur dem gewohnten Glamour und Konfort. Andererseits aber auch das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Polizei und Pépé, kompliziert durch Informanten mit wechselnden Loyalitäten.

Die Intrigen, die komplexen Freundschaften, Feindschaften und Liebschaften spiegeln die Verworrenheit der Altstadt wieder. In Stimmung und Thematik wirkt Pépé le Moko auch schon wie ein Vorbote auf den Film Noir, dem ultimativ amerikanischen Genre in dem die Stadt zum handlungsmächtigen Charakter wird.

Montag, 2. Juni 2008

Partie de Campagne (Jean Renoir, 1936)

Ein Film, der vor allem durch seine Einfachheit erstaunt und wie er in seiner Kürze (40 mins) zu einem Klimax führen kann mit einer epischen Breite an mehrdeutigen, komplexen Gefühlen. Ein Film, in dem die Details mit der übergeordneten Struktur des Plots ineinander greifen und auf allen Ebenen der filmischen Informationsvermittlung eine sehr elaborierte, eloquente Sprache ihren Ausdruck findet.

Renoirs klassische Anliegen die Klassen, die Rollen der Geschlechter, das Alter und die Jugend - also schlicht die Gesellschaft betreffend, finden sich hier in ähnlich konzentrierter Form wie in seinem ultimativen Meisterwerk La Règle du Jeu. Dabei ist auch Partie de Campagne ein cleverer und amüsanter Film. Aber auch einer, der einen tiefen Eindruck hinterlässt.

Sonntag, 1. Juni 2008

Fat City (John Huston, 1972)

Einer dieser unpolierten New Hollywood-Filme mit rauen, schwitzenden Bildern. Atmosphäre und Lebensgefühl treten absolut in den Vordergrund und benutzen Plot und Dialog nur als ihr Instrument (das ist sonst ja meist genau anders rum). Es ist ein richtiger Slice-of-Life-Film, der sich um klassische Spannungsbögen einen Dreck schert. Das Erzähltempo ist auf ein Minimum zurückgenommen, denn wie gesagt, darum geht es dem Film gar nicht.

Die Dialoge sind sehr simpel gehalten, doch ist es auch gar nicht nötig, den Charakteren mit raffinierten Sätzen künstlich psychologische Tiefe aufzudrücken. Es sind ganz klar keine flachen Figuren, doch ist eines ihrer Probleme, dass sie ihre Gefühle nicht angemessen ausdrücken können.

Schade ist, dass die Box-Szenen nicht sehr überzeugend wirken. Das fällt schon ins Auge in einem Film, der sonst stark auf Realismus setzt. Es sind dann also die staubigen Strassen, heruntergekommenen Apartments und schmierigen Bars - und natürlich vor allem die Menschen, die uns dort begegnen - welche im Gedächtnis bleiben.